Reifeprüfung: ja oder nein?
Heute vor 33 Jahren, am 31. Mai 1991, hatte ich meine Schullaufbahn mit der Matura abgeschlossen.
Auf dem Papier war ich noch für neunundzwanzig Tage 17 Jahre alt.
Schule – PISA – Reifeprüfung – Zentralmatura
Für wahr! Über die Sinnhaftigkeit der Reifeprüfung – in Österreich: die Matura – lässt es sich vortrefflich streiten.
Alle Jahre wieder – meist pünktlich zur in ganz Österreich gleichzeitig stattfindenden Zentralmatura – werden die Stimmen jener laut, die die Matura abschaffen wollen oder die Matura dermaßen verändern wollen, dass dies faktisch einer Abschaffung gleich kommen würde. So geschah dies auch heuer wieder.
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Chancengleicheit durch einheitliche Standards und Transparenz
Ich selbst hatte bereits vor mehr als 30 Jahren als Schüler eine österreichweite, staatlich kommissionelle, das heißt an allen Schulen gleiche Prüfung und zentral-einheitliche Benotung gefordert.
Ich wollte fair, aber vor allem gleich wie alle andere Schülerinnen und Schüler behandelt werden. Ich wollte – höflich formuliert – nicht einer außerordentlichen Notenstrenge, eigentlich Voreingenommenheit einer bestimmten Lehrerin mir gegenüber, ausgeliefert sein. Ich wollte weder ein Schüler Gerber sein noch ein Junger Wilder sein. Ich wollte nur Chancengleichheit – nicht Laissez faire.
Die Noten sollten in der Schule und über die Schulen hinaus vergleichbar sein und nicht von unterschiedlicher Notenstrenge abhängen.
Schließlich erlangen die Maturanten und Maturantinnen mit der positiv abgeschlossenen Reifeprüfung auch die Berechtigung, eine Hochschule – die Universität – besuchen zu dürfen.
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Zentralmatura abschaffen oder
Zentralmatura generalüberholen und beibehalten?
Nun haben wir endlich eine solche Schulen übergreifende Abschlussprüfung – Reifeprüfung – in Österreich, sind aber seit ihrer Einführung damit nicht zufrieden: Für die einen ist die Zentralmatura zu schwer, für die anderen zu leicht. Vielen fehlte seit jeher der Praxisbezug der Prüfungsfragen und nun sei auch noch aufgrund der künstlichen Intellelligenz (KI) Vieles überholt und obsolet.
Mit Interesse habe ich hierzu die Argumente der Bildungssprecherinnen und Bildungssprecher der im österreichischen Nationalrat vertretenen Parteien in dem Artikel „Ist die Matura reif für die Abschaffung?“ in der österreichischen Tageszeitung der Standard gelesen (Seite 2, Print-Ausgabe am Dienstag, den 30. April/Mittwoch, den 01. Mai 2024).
Dazu möchte ich nur folgende wenige Punkte anführen bzw. nachschärfen:
I. Noten sind relativ.
Ja, auch wenn Noten relativ sind, sollte am Ende einer schulischen Laufbahn eine entsprechende Prüfung stehen, um jene zu würdigen, die die an sie gestellten Aufgaben über all die Jahre ernst genug nahmen und sich weiter entwickelt haben. So berechtigt die Kritik an punktuellen Einzelleistungen auch sein mag, wird die Matura nicht die einzige große Hürde im Leben vieler Matura-Absolventinnen und Absolventen sein, die es zu meistern gilt…
Ein positiver Abschluss der Schullaufbahn – die Matura – attestiert Hochschulreife und berechtigt den Zugang zur Hochschule. Der Rahmen der Reifeprüfung sollte entsprechend gestaltet sein.
Die Matura ist nicht alles, aber nach mehr als 12 Jahren im Leben eines jungen Menschen mehr als nur sinnloser Ballast, den es rasch abzuschütteln gilt.
II. vom Schummeln, Plagiaten und Betrug.
Ja, die vorwissenschaftliche Arbeit habe ich seit jeher und bereits vor der KI als unnötig gesehen.
Das Argument, dass die Fortschritte der KI die vorwissenschaftliche Arbeit hinfällig machen, ist an sich lächerlich, aber typisch österreichisch. Anstelle Plagiate – entweder selbst abgeschriebene Arbeiten, durch KI oder durch Ghostwriter erstellte Arbeiten – als solche zu erkennen und hart zu bestrafen, heißt es nur, „weg damit„, „red‘ ma nimmer drüber„, „das macht jo eh‘ jeder„, „des is‘ eh ned so schlimm“ etc..
Viel wichtiger wäre es aber, die Schülerinnen und Schüler über die all die Schuljahre so weit zu bringen, dass sie eine solche Arbeit ohne Hilfsmittel erstellen könnten und sich auch dermaßen schämen würden zu schummeln, dass sie eben nicht schummeln, das heißt vortäuschen und betrügen. Das würde Hochschulreife nämlich bedeuten: die Fähigkeit zu reflektieren und zu akzeptieren, dass „eine schlechte eigene Leistung besser ist, als eine erschummelte nicht-eigene Leistung„.
Schummeln ist nämlich die typisch österreichische Art einen Betrug, denn nichts anderes ist ein Plagiat, zu verharmlosen und als Kavalliersdelikt nicht nur lächerlich zu machen, sondern auch noch zu rechtfertigen.
Englisch: to cheat heißt betrügen und bedeutet über dem großen Teich von einer Elite-Uni hinausgeworfen zu werden, da man Schande über die Universität gebracht hat.
Wir sollten den Begriff Schummeln aus unserem Wortschatz streichen. Abschreiben bzw. das Vortäuschen, eine Arbeit selbst erbracht zu haben, ist Lüge und Betrug, und kategorisch abzulehnen.
Schummeln, Vortäuschen, Lügen und Betrügen haben an einer Universität und in der Wissenschaft, aber auch an einer Schule, oder sonst wo nichts verloren.
III. ohne Fleiß kein Preis.
Ich glaube, dass meine Patientinnen und Patienten zu Recht einen großen Bogen um mich machen würden, wenn ich in meiner Laufbahn stets den Weg des geringsten Widerstands gesucht hätte und nur auf meine life-life-balance geachtet hätte.
Von nichts kommt nichts, auch wenn uns Social Media, Youtube und sogenannte Influencer anders glauben lassen wollen.
Klare Regeln und Vorgaben und Prüfungen, ob ich den an mich gestellten Anforderungen standhalte und die Leistung erfülle, haben mich dorthin gebracht, wo ich heute bin.
Weder Laissez faire, KI, Youtube Tutorials oder Milde haben mich zu dem Arzt gemacht, der ich heute bin, sondern tage- und nächtelanges Lernen über Wochen und Monate, Durchhaltevermögen und harte Arbeit über Jahre und die Strenge derer, die mich beurteilen mussten.
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Egal wie die Prüfung am Ende einer schulischen Laufbahn am Ende des Tages gestaltet sein wird, zukünftige Studentinnen und Studenten sollten über das außerordentliche Maß fähig sein,
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- sinnerfassend zu lesen,
- sich in Wort und Schrift gut auszudrücken,
- Zusammenhänge zu erkennen,
- zu reflektieren und
- Argumente zu entwickeln.
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Studenten und Studentinnen sollten mehr als nur ein paar Apps auf ihrem Smartphone und KI-Programme bedienen können, um ihre Übungsaufgaben schnell von einem KI – Programm erledigen zu lassen oder Seitenweise die Texte und Arbeiten anderer mit <copy> und <paste> zu stehlen und als ihre eigenen auszugeben. Das ist nicht nur sinnlos, sondern schlichtweg kontraproduktiv. Wer nicht übt, verkümmert.
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Studenten und Studentinnen sollten Computer richtig nutzen und effizient damit arbeiten können, nicht nur ein paar Knöpfchen drücken oder über den Touchscreen ihres Handys wischen können und die Apps von Konzernen, die unsere Daten absaugen, blind bedienen können. Das hat keinen Mehrwert. Das kann schon ein jede/r, selbst ein Kleinkind im Kinderwagen (das mittels Handy ruhig und in weiterer Folge auch dumm gehalten wird).
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Die Schule und danach anschließende Lehre oder ein Studium sind viel mehr als nur eine Betreuung und Bespaßung von Kindern und Jugendlichen, wie dies in Österreich von einem Großteil der Bevölkerung gesehen wird, die zwar ständig einen raschen Jobeinstieg fordert, aber dann nach qualifiziertem akademischen Personal ruft.
Die Schule und danach anschließende Lehre oder ein Studium sind Teil einer sehr oft langen Berufsausbildung.
Genau diesen Aspekt möchte ich auch in allen Diskussionen über unsere Schulen, Lehrberufe und auch die Matura ohne Umschweife und gebührend behandelt wissen.
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Wider dem Downgrading: in der Schule und auf der Universität!
Lang lebe die Schule!
Lang lebe die Matura!
Ihr
fahmy.blog